Charlotte Wagner, meine Pferde, Lady
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Lady – vom Metzger in der aktiven Ruhestand

Lady ist wirklich ein Sonderfall! ich weiß nicht sehr viel über ihr Leben. Dem Impfausweis ist zu entnehmen, dass sie wohl einige Zeit als Schulpferd für einen Reitverein in Ostdeutschland gearbeitet hat.

Eines Tages fragte mich eine Freundin, die ihre Pferde im gleichen Reitstall stehen hatte, wo auch Maxi und Komtess wohnten, ob ich nicht eine 22-jährige Stute von einem Bauern übernehmen könnte, deren Leben beim Metzger beendet werden sollte. Zu diesem Zeitpunkt befand ich mich gerade mit Simon bei einem dreiwöchigen Trekkingurlaub in Nepal. Kurzerhand antwortete ich, dass ich sie übernehmen würde, sofern sie gesund sei und ich nicht das Einschläfern im folgenden übernehmen müsste.

Als ich nach dem Urlaub in den Stall kam, entdeckte ich das neue Pferd webend in einer der Außenboxen.

Abgemagert und mit verfilztem zotteligen Fell bot sich kein schöner Anblick.

Es stellte sich heraus, dass das Pferd die letzten Jahre wohl auf dem Feld arbeitete und zuletzt nicht mehr genutzt wurde.

Da sie nunmehr nur noch mit Kosten für den ehemaligen Besitzer verbunden war, sollte sie also Bekanntschaft mit dem Metzger machen. Den „Schlachtpreis“ von 250 Euro musste ich daher natürlich zahlen.

Die folgenden Monate und Jahre waren davon geprägt, dem Pferd zunächst einmal die Halfterführigkeit beizubringen. Sie wurde zuvor nur mit Kette im Maul geführt. Sie nutzte jede Chance, sich loszureißen und war sich ihrer Überlegenheit gegenüber dem Menschen durchaus bewusst. Zugleich war sie sehr unsicher, so dass selbst ein Ausflug zum Reitplatz mit extremer Aufregung verbunden war.

Des öfteren wünschte ich mir, dieses Pferd nicht übernommen zu haben.

Es brauchte eine sehr lange Zeit bis überhaupt Spaziergänge möglich waren. Erschwerend wurde sie auf dem linken Auge blind, was sie noch mehr verunsicherte, da ihr nun nur noch die Hälfte des Gesichtsfeldes zur Verfügung stand. Und sich auf einen Menschen zu verlassen und sich einem solchen anzuvertrauen, kam nicht infrage. Das hatte sie in ihrem Leben scheinbar gelernt.

Sie fand in Komtess schließlich eine Verbündete, auf die sie sich verlassen konnte. Nach dem Umzug von Dresden nach Eschenlohe wurde diese Beziehung sehr eng.

Langsam besserte sich auch die Beziehung zu mir und es waren sogar kleine Ausritte möglich.

Übernommen habe ich diese psychisch mitgenommene Stute im Jahr 2010. Sie lebt immer noch bei mir. Und mittlerweile gefällt es ihr sogar gekrault und geschrubbt zu werden, vor allem wenn das lästige Winterfell im Frühjahr so juckt. Sie hat in mir doch einige nützliche Seiten entdeckt 🙂

Ich versuche sie durch viele Spaziergänge, Bodenarbeit auf dem Reitplatz, auch mit Stangen zum Übertreten, mobil zu erhalten. Zudem benötigt sie die Beschäftigung. Trotzdem hat sie sich trotz ganzjähriger Offenstallhaltung das Weben nie ganz abgewöhnt.

Sie hat einen sehr starken Charakter und ist „hart im Nehmen“. Eine wirkliche Kämpfernatur. Hätte sie ein besseres Leben gehabt, wäre sie sicher immer noch ein stolzes und prächtiges Pferd. Sie ist körperlich sehr „mitgenommen“, hat Arthrosen, extrem schlechte Zähne und ist sehr schwerfuttrig. Trotz dieser widrigen Umstände genießt sie nun ihr Leben. Sie hat eine Lebensenergie, die nur wenige junge Pferde haben. Sie trabt und galoppiert wieder, die Arthrosen konnten wir durch unser Bewegungs- und Aufbauprogramm gut kompensieren.

Lernt man dieses Pferd kennen, so ist man von Ihrer Persönlichkeit und Energie fasziniert. Und man sieht nicht mehr ihren äußerlichen körperlichen Zustand und den nicht den gängigen Schönheitsnormen entsprechenden Körperbau.

Sie wird zu einem wunderschönen Pferd, wenn man ihr Inneres kennenlernt.

Mit dieser Geschichte von meinem Pferd „Lady“ möchte ich daran erinnern, dass jedes Lebewesen auf seine Art schön ist, man muss sich nur darauf einlassen. Und ich hoffe, dass ich Lady noch einige Jahre eines schönen Pferdelebens bereiten kann, so dass die Strapazen und die Qualen der ersten 22 Jahre zumindest ein kleines bisschen wieder gut gemacht werden können.

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